Beim Posten kommt man sich näher: Die kleine Dame und die grosse Bäuerin haben sofort Vertrauen ineinander gefasst. |
Paulo Zedmic: Davon kann keine Rede sein. Ich kenne meine Verantwortung und auch die Gesetze, an die ich mich halte. Ich will doch nur wieder etwas Zeit für mich. Ausserdem hat sich bei mir ein gewisser Starrsinn verfestigt, der Vorbildern gern anhängt. Deshalb lasse ich mich von deiner Fangfrage gar nicht beirren und fahre meinen Plan weiter: Zögling für Zögling wird verantwortungsvoll und sorgsam versorgt.
Eine kleine Luftveränderung für alle, bestimmt, aber hoffentlich für alle zum Besseren. Ich vermag meine erzieherischen Verdienste sehr wohl realistisch einzuschätzen, möchte jedoch auch anderen Wertemodellen eine Chance geben. Denn wer nie die Eltern wechselt, hat ja gar keinen Vergleich.
Neue Nestwärme
So fahre ich also fort, Flick für Flick von meiner Patchwork-Decke abzutrennen und auf einen fremden Stoff zu nähen. Möge mir der löchrige Mantel im Winter keine reuigen Gewissensbisse bescheren. In meiner Familie, die sich in Liquidation befindet, ist Louis als Flick ein ziemlicher Strick. Das hat mich, um im Bild zu bleiben, fast dazu verleitet, ihn an eine schwedische Gardine zu ketten. Ich hab es mir anders überlegt. Denn Louis Mutter Vero verfügt über eine seidenfeine Bettwäsche exzellenter Qualität. Ob der brave Louis in ihre Laken schlüpfen darf oder ob sie ihn auf dem flauschigen Schaffell vor dem Cheminée einquartiert, ist mir egal. Er schläft eh nie. Ohne Zweifel wird er bei ihr weniger frieren als die letzten paar Saisons in meiner Obhut, wo er nur ein paar Stunden im Abwartsraum des Hallenbads Wärme spürte. Wozu kriegt man zwei Eltern? Vero ist vernünftig und ich bin Louis los.
Feliz hat Glück
Ich habe versucht, Feliz Saionara (4) ganz diskret in einer Babyklappe zu versorgen. Aber die Göre ist gar kein Baby mehr – wie ich vor Ort feststellen musste. Also spazierte ich mit ihr zum Marktplatz ins Zentrum.
Die Nachfrage nach herzigen Kindern ist ja unbestritten gross. Also müsste sich doch für die süsse Kleine, die bereits reif für den Kindergarten ist, einen Interessenten finden lassen. Ich wollte sie natürlich nicht jedem geben.
So ein begabtes Glückskind wie Feliz, die bereits den Handstand kann und kopfüber das ganze Repertoire von Justin Bieber auswendig singt. Dies führte sie vor Ort gleich vor. So kommt man ins Gespräch.
Und ich war entsprechend erleichtert, dass ich bereits beim zweiten Kontakt eine glückliche Lösung gefunden hatte. Eine Bäuerin aus dem Säuliamt nahm Feliz gleich mit. Feliz gluckste fröhlich wie stets, ich habe unverhofft Pokergeld für einen Monat, und Feliz Mutter muss das ja nicht gleich erfahren. Ich werde ihr die neue Adresse mitteilen, sollte sie wieder einmal nach Feliz fragen.
Die grosse Klappe
Nils hätte vielleicht noch knapp in eine geräumige Babyklappe gepasst. Aber wer führt
so eine grosse Klappe, wenn man mal eine braucht? Ein zweiter Gang zum obigen Spital
war mir zu riskant. Aus Angst vor dem zurückschlagenden Schicksal habe ich Nils
auch nicht in einem Autopneu den Rhein runtergeschickt. Das kommt nie gut, wie ich
aus der Bibel weiss. Stattdessen habe ich ihn nochmal nach Hause genommen. Linda ist
ja auch noch da, meine treue Tipplise. Ich bin also noch nicht fertig, habe aber mehr
Übersicht jetzt. Mit so einer durchschnittlichen Einelter-Zweikinder-Familie könnte
ich ja nochmal neu starten. Mal sehen.
Paulo Zedmic (43) ist in familiärer Veränderung. Er hat sein Erziehungs- und Ernährungspensum
innerhalb von wenigen Wochen von 6 auf 2 Köpfe reduziert.
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echt? danke!