Freitag, 17. Mai 2019

Unsere teuersten Prestigesubjekte


Andy beim Frühstück: Das Team Gavel bestreitet auch dieses Jahr wieder einen Veloevent, aber Andy hatte 2018 genug.

Wir haben nie ausgerechnet, ob wir uns Kinder überhaupt leisten können. Geschweige denn, ob wir es können. Bevor wir Kinder hatten, waren meine Liebste und ich uns gegenseitig lieb und teuer. Wir hatten beide den Ehrgeiz unabhängig zu sein und genossen unsere Freiheit, auf eigenen Beinen zu stehen. Als unsere älteste Tochter zur Welt kam, gründeten wir ein Foyer Familiale, fanden rasch eine günstige Wohnung und lebten froh unser neues Leben.
Ein Baby kostet ja nichts, es lebt von Muttermilch, Luft und Liebe. Und den Posten für die Wegwerfwindeln im Haushaltsbudgetverkraftet man easy durch Einsparungen am Samstagabend: Happy Day am TV kommt um einiges billiger als durch die Clubs der Stadt zu torkeln. Das Haushaltsbudget gab es selbstverständlich nie - und es wird es auch nie geben.  
Selbst in den Ferien hat sich nicht viel geändert, in den ersten Babyjahren: Ein bisschen mehr Planung, etwas mehr Konstanz und ein Mü mehr Kinderfreundlichkeit bei der Auswahl der Unterkunft. Als wir in Loco einmal mit der einjährigen Tochter in ein dunkles, kaltes Loch eincheckten, im Internet gebucht, wo wir als Paar wohl einfach weitergezogen wären, hatte ein Nachbar Erbarmen und bot uns just seine neu renoviertes Ferienstudio an, hell und sauber, mit Naturjacuzzi im Garten, wo es sich wunderbar ausspannen ließ.
Fieserweise bleibt der Kostensprung noch eine Weile aus, und bevor wir auf der Budgetseite einen Ausgabenüberschuss bemerkten, war ein zweites Kind auf dem Weg. Wiederum ungeplant, immerhin hatte die Zweitgeborene den Vorteil von geregelten Verhältnissen. Und wenn es zweitelts, so drittelt’s: Bevor wir uns versahen, gesellte sich ein Bub dazu, mit gebührendem Abstand von ein paar Jahren. Die Älteste war unterdessen im Kindergarten und begann langsam, mehr zu essen. Um die Kleider kümmert sich bei uns meine Teuerste, da sind wir ganz Traditionalisten.
Wir begannen uns nun langsam Gedanken über die Familienplanung zu machen, doch wirklich viel Geld kosteten die Zöglinge immer noch nicht. Meine Teuerste stattete die Kinder aus und machte aus dem stolz angeschwollenen Kleiderumsatz der kleinen Schar einen blühenden Secondhand-Handel. Sie hat ein goldenes Händchen und die Leidenschaft, um aus den Börsen der Wegwerfgesellschaft die schönsten Einzelstücke herauszusuchen. Und das Essen ist im Luxusland Schweiz der kleinste Budgetposten. 6 Prozent, mit Cumuluspunkten kann man ein bisschen was sparen. Und mit Glück fanden wir eine grössere Wohung, doppelt so teuer wie die alte zwar, dafür mit genug Platz und Geschirrspüler, ein Quantensprung!
Kinder sind ein antikapitalistisches Projekt, selbst wenn es sie zu kaufen gäbe, wären sie rein marketingmässig unverkäuflich: Ladenhüter: Wer würde ein Produkt kaufen, das jedes Jahre teurer wird, ohne Kostendach, eine ungebremste Kostenexplosion quasi, und dann gibt es nicht mal eine Gebrauchsanweisung dazu. Gleichzeitig will man ja auch etwas Zeit mit den Kindern verbringen, was heisst, dass man weniger Zeit hat um Geld zu verdienen. Nun, wir sind privilegiert, wir leben in einer grosszügigen Stadt, die uns trotz des prekären Einkommens die externe Betreuung ermöglicht. Und nicht zuletzt sind wir auch privilegiert, was die Grosseltern unserer Bande betrifft: Ohne Zustüpfe würden wir uns wohl weder regelmässige Ferien noch ein Auto leisten. Fürs soziale Prestige jedenfalls brauchen wir keine Objekte, da sind uns unsere teuersten Subjekte Teil genug.   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

echt? danke!