Dienstag, 4. Juni 2019

Wer beantwortet jetzt meine Fragen?

Dramatischer Sonnenuntergang mit Feliz Saionara: Zedmic kam noch einmal kurz zurück, um auf Wiedersehen zu winken.
«Ich habe schlechte Erfahrungen mit Erziehungstipps in Internetforen gemacht. Die Leute sind dort unecht, moralinsauer und alarmistisch. Gibt es entspannte Foren?» Klaus K. aus B.

Paulo Zedmic: Nein. Ich kann das Internet leider pauschal nicht empfehlen. Ich war ja früher im virtuellen Raum schon sehr zurückhaltend. Das Internet hat mir noch nie beim Rasenmähen geholfen, wenn du weisst, was ich meine. Und aufs Facebook-Freundesammeln kann ich auch verzichten, mir reicht einer: Basil, der Philosoph. Der hat auch einen Lastwagen, den man mal ausleihen kann. Seit ich den Familien-Computer zusammen mit Achim entsorgt habe – beziehungsweise Achim mit dem Computer bei seiner Mutter Inge installiert (siehe Folge 21), seitdem lebe ich ganz offline. Inge hat sich übrigens für den Computer bedankt. Achim habe ihr sogleich ein Parship-Login und ein paar vielversprechende Dates beschert.
Ich bin jedenfalls gern ein Ewiggestriger. Die eigene Erfahrung zählt! In der Erziehung wie im Hallenbad. Deswegen wäre es auch alles andere als seriös, würde ich weiter hier Erzieher spielen, wo ich doch nun nach erfolgreicher Liquidation meiner Grossfamilie allen akuten Aufgaben entbunden bin. Ich gebe mich sicher nicht hin, einen Internet-Chat zu moderieren. Hoch lebe die traditionelle Medienwirtschaft!
Ein Sack voller Fragen
Mein Ältester Sebastian hat mir letzthin ein Geständnis gemacht. Ich hatte ihn in einer Phase der Arbeitsüberlastung meinerseits und in einem Beschäftigungsvakuum seinerseits mit der internen Postzustellung beauftragt.
Ein typischer Tellerwäschereinstieg, fand ich. Und gerade für einen wie Seb eine Riesenchance. Nun kommt er aber mit einem Sack nie verteilter Korrespondenz. Darin finde ich Hunderte von Leserfragen verzweifelter Eltern, die sich an mich gewandt hatten. Meine Güte, so viele nicht beantwortete Fragen! Wenn ich diesen Fundus gehabt hätte, vielleicht hätte ich den Bettel nicht einfach hingeschmissen. Weitere Vorteile von Briefen gegenüber E-Mails: Sie bleiben länger erhalten. Und man braucht eine Arbeitskraft, um sie zu entsorgen. Ich habe ja mein Altpapier-Entsorgungs-Diplom nicht ohne Grund gemacht.
Moderner Teilzeitpapa
Seit ich die Zöglinge los bin, weiss ich weiss Gott Besseres, als zu surfen. Ich geniesse zum Beispiel meine wiedergefundene Freiheit in vollen Zügen. Ja, ich pendle, mit der S-Bahn. Seit Kurzem habe ich auch wieder Zeit für Makramee, lese Philosophiebücher und habe etwas zugenommen. Einsam bin ich nicht. Denn Feliz, meine Sonne, ist ja zurückgekommen!
Die Bäuerin im Säuliamt war gar nicht so nett. Sie dachte, mit dem Zustupf bei der Übergabe hätte sie auch Feliz’ Arbeitskraft entgolten. Sie liess die Kleine im Schweinestall Perlen suchen und solche Dinge. Aber Feliz ist doch nicht Aschenputtel. Kinderarbeit ist gut und recht, solange sie in der Familie bleibt.
Mit meinem Restpack bleibe ich in einem gesunden Mass in Kontakt, ohne mir neue Pflichten aufzubürden. Zufälligerweise bin ich im gleichen Kirchenverein mit dem Mann, dem das Fürsorgeamt meinen jüngsten Nils zugewiesen hat. Wir verstehen uns prächtig. Er nimmt Nils manchmal mit in die Chorprobe. Das ist dann wie Kidsharing. Die Kinder machen ja eh, was sie wollen, wie alle Regierungen. Den entscheidenden Vorteil meines Laissez-faire-Prinzips realisierte ich übrigens erst nach dem Abschluss des Erziehungskapitels: Man kann viel entspannter loslassen, weil es keine harte Abnabelung gibt. Im Grund hat sich also nichts geändert – und unbeantwortete Fragen wird es intern wie extern weiterhin viele geben.

Paulo Zedmic (43) hatte mal sechs Jobs und sechs Zöglinge in seiner Obhut, bevor er einen Punkt machte.

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