Sonntag, 10. März 2019

Sind Sie noch bei Trost?

Obacht: Glücksspiel verträgt sich nicht mit elterlichen Verantwortung. Wer das Gegenteil behauptet, könnte ein Profi sein.
«Ich bin glücklicher Vater eines Mädchens (5), dessen Erziehung ich der Mutter überlasse.
Die knappe Zeit mit dem Kind raubt mir bereits alle Kräfte. Wie kann man sich überhaupt mehr als ein Kind zumuten?»
Fredy K. aus W.
 
Paulo Zedmic: Es ist nicht so, dass sich mir diese Frage noch nie genähert hätte. Aber ein Vorteil der konstanten Überforderung als Alleinerziehender mit sechs Nasen ist, dass man zum Grübeln definitiv keine Zeit mehr hat. (Und Gott sei dank auch nicht mehr zum Zeugen weiterer Zöglinge, vorerst). Das philosophische Hinterfragen habe ich abgegeben an meinen besten Freund Basil. Er teilt im Übrigen deine Meinung, dass mehr als ein Kind ungesund sei. Schliesslich erhalten Kinder mit Geschwistern ja nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit, wo doch jedes einzelne für sich alle Liebe der Welt verdient hätte, allein schon als Geschöpf.
Schattenkunst mit Geschirr
Wobei: Gerade im Windschatten der Aufmerksamkeit geschehen oft wundersame Dinge. Zum Beispiel der Frühstart zur künstlerischen Karriere meiner lieben Linda (19). Das fing damals an, als sie als Baby in einem unbeachteten Moment die teuerste Amphore ihrer Mutter in 1000 Stücke zerschlug. Wie genau sie das zustande brachte, wurde nie geklärt, weil ja eben niemand aufmerksam war. Aber es lagen danach Muster von Scherben um das Baby herum auf dem Boden. Und auch auf ihrem Köpfchen zeigten sich faszinierende Zeichen. Linda liess dort später Tattoos nach der Vorlage der Narben anfertigen. Von ihrer Mutter hat Linda die künstlerische Ader übrigens nicht. Denn Alice hat die Ader ja immer noch, hihi, im Gegensatz zur teuren Amphore. Genetik ist logisch!
Improvisieren und planen
Überwachung ist ein Vakuum für die Kreativität, sagt Basil. Sie erstickt! Allerdings muss man auch problematische Aspekte erwähnen. Zum Beispiel muss Kinderbetreuung wie die Arbeit geplant sein. Ich kann ja auch nicht den Dienstplan mit meinen fünf Jobs von Tag zu Tag improvisieren. Nein, man muss Zeit haben, um Doppelbelegungen und Vielfachbuchungen zu umgehen durch Tricks, Nachtschichten, Ausreden und Arztzeugnisse. Kinder sind wie Chefs: Immer wollen alle miteinander was. Man braucht echt Nerven wie Drahtseile, um das auszuhalten. Dann ist das Essen halt kalt, bis
alle am Tisch sitzen.
Oder du lässt die Küche sein und das dreckige Geschirr dreckig, denn du brauchst es ja am nächsten Tag eh wieder. Oder du musst das Aufräumen als Spiel gestalten, weil du sonst weder spielen noch aufräumen kannst.
Rabenvater Matto
Kurz: Deine Frage ist mehr als berechtigt. Wer zum Zeitpunkt der Familienplanung noch klar im Kopf war oder sogar bei Trost, der ist natürlich, nur so nebenbei, auch nicht mit voller Leidenschaft in das Projekt gestartet. Aber nehmen wir an, jemand (oder zwei Personen) hätten tatsächlich nüchtern den Nutzen eines zweiten Zöglings errechnet und rational beschlossen. Spätestens im Chaos mit 2, 3 oder X Kindern versagt die letzte rationale Sicherung. Ja, man verliert den Verstand, leider.
Unvernunft ist eben ansteckend, wie im Irrenhaus die Psychiater immer Ticks entwickeln, ob sie wollen oder nicht. Ich halte mich mit einem eisernen Prinzip über Wasser: Freitagnacht ist fürs Pokern reserviert. Das nimmt auch etwas Druck weg vom Budget, im besten Fall.

Paulo Zedmic (43) hat die Stunden, die er für seine Zöglinge aufgewendet hat, nie aufgeschrieben.
Seine Tochter Linda (19) erledigt für ihn dafür gratis Schreibarbeiten.

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