Freitag, 1. März 2019

Haben Sie unser Enkelkind entführt?

Der Enkeltrick ist nicht einfach zu durchschauen. Ein Entführer dagegen ist an seiner grimmigen Kleidung gut zu erkennen.
Seit Langem lesen wir Ihre Kolumne mit wachsender Skepsis. Nun ist unser lieber Enkel Nils (10 Monate) plötzlich wie verwandelt, leider sehr zum Unguten. Haben Sie ihn etwa mit einem Ihrer Bälger vertauscht? Ernst und Rosa A. aus K.

Paulo Zedmic:
Erlauben Sie mir zuerst einen Scherz, bevor ich Ihnen eine Antwort gebe. Es freut mich nämlich, dass Ihre Skepsis nicht schrumpft! Denn dann wäre sie schon alt und verknöchert. Solange sie wächst, hat sie eine grosse Zukunft, wie Ihr Enkel. Das hat mir mein Freund Basil, der Philosop, so erklärt. Er sagt: Skepsis ist wie ein Schnaps, also sehr wichtig.
Elende Enkeltricks
Ich finde es nicht schlimm, dass Sie mich einer neuen Variante des Enkeltricks bezichtigen. «Bezichtigen», das sagt Basil auch immer. Er ist verdammt gescheit. Nein, es gibt ja immer wieder neue, unverschämte, unverfrorene Arten von Enkelbetrügereien.
Man liest es in der Zeitung. Und man spürt, wie schockiert die Beamten auf dem Polizeiposten über die raffinierten Methoden waren. (Basil sagt «dreist!») Aber von jemandem, der anderer Leute Enkel vertauscht, habe ich noch nie gehört.
Wobei ich mein jüngstes Ding auch schon fast vergessen habe, so ruhig und friedlich schläft es jetzt in seinem Wägelchen. Ein Engel ist das plötzlich, das sage ich Ihnen. Am Anfang war es gerade das schlimmste Schreikind der Erde! Lustig, genau umgekehrt wie bei Ihrem Enkel! Jetzt fällt mir erst auf, dass ich meinem jüngsten Spross auch Nils sage, seit seine Mutter ihn mir überlassen hat. (bzw. uns verlassen hat).
Frispee und Poker
Ich war es nicht! Dafür halte ich meine Hand ins Feuer. Oder sagen wir, wenn ich lüge, halte ich meinen Schlüsselbund in den Bunsenbrenner und spiele dann damit im Garten mit den Kindern russisch Frispee. (Wer fängt, verbrennt sich die Finger).
Wenn Sie aber Ihres Enkels wirklich überdrüssig sind, können wir gern über ein Geschäft reden. Mein Nils ist allerdings nicht verhandelbar. Ihn habe ich nicht mal gesetzt, als ich letzte Woche am Pokertisch tief in die Schuldenzone rutschte. Ich kam dann zum Glück auch ohne ihn wieder ins Plus.
Gesparte Arbeit
Aber von meinen Zöglingen könnten Sie Achim haben. Er ist zwar schon ein paar Jahre älter und einige Pfunde schwerer, dafür müssen Sie ihn nicht mehr wickeln. Und er ist sehr pflegeleicht! (Basil sagt dem «phlegmatisch »).
Oder wollen Sie mir Louis abnehmen? Den Terrorbengel würde ich sofort tauschen, eigentlich ist es mir sogar egal, ob ich etwas dafür kriege. Der Vorteil für Sie: Louis kann schon rechnen und er kennt sich mit Computern aus. Sie sparen so jede Menge Erziehungsarbeit, stellen Sie sich vor: Zehn Jahre nicht schimpfen!
Rechtlich sollte man das mit einem Outsourcing- Vertrag regeln können, meint Basil. Er arbeitet ja, weil man als Philosoph leider kein Geld verdient, in der Rechtsabteilung einer Autoleasing-Firma. Wenn Sie wollen, sage ich auch den Müttern nichts, dass deren eine oder andere Sohn nicht mehr bei mir ist. Also einfach sagen. Interessiert an einem Deal? Ich bin gern für einen Schwatz zu haben. Meine E-Mail kennen Sie ja.

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