Samstag, 23. März 2019

Darf meine Tochter ans Boygroup-Konzert?

Coole Outfits: Das ist offensichtlich keine Boygroup, schon gar nicht jene mit dem ollen Namen «one direction».
«Meine Tochter Alice ist 13. Ihre Freundinnen gehen ans «One Direction»-Konzert. Mein Mann hat für Alice sogar ein Ticket gekauft. Mir behagt das gar nicht. Hilfe!» Bea R. aus F.

Paulo Zedmic: Hiermit verbiete ich deiner Tochter, dem Anlass beizuwohnen. Diese Musik ist wirklich Kacke. Und da hat man als Mutter und Vater eine ästhetische Verantwortung. Wenn dir die Autorität fehlt, diese durchzusetzen, leihe ich dir gerne meine. Es müsste mehr mutige Mütter wie dich geben und es wäre um die Jugend viel besser bestellt. Viel zu oft wird dem Teenie-Hormontrubel einfach nachgegeben, ohne jeden Anspruch und ohne Niveau.
Meine kleine DiktaturBei mir zu Hause gilt eine eiserne Regel: Du sollst kein anderes Vorbild haben als mich, deinen Vater. Darum hängen in der Wohnung auch überall Poster von mir. Im Gang steht sogar eine Bronzeskulptur mit meinem Ebenbild, damit die Autorität auch wirkt, wenn ich mal beim Tanz oder bei der Arbeit bin. Daneben dulde ich höchstens noch ein Foto der Mutter auf dem Nachttisch, mehr nicht. Kein Starschnitt und kein Internet.
Meine Kinder haben nur Zugang auf das Intranet meiner Arbeitgeber, Nebelspalter.ch und Europoker. Dort spielen sie aber nur mit dem eigenen Sackgeld. Meine Tochter Linda (19) hat mir meine starke Hand in ihren Teeniejahren gedankt, indem sie, als ihre Freundinnen alle mit Tokio-Hotel-Frisuren herumliefen, auf meinen Hallenbadhaarschnitt setzte. In der Handarbeit bastelte sie sogar liebevoll einen grünen Blaumann, wie ich ihn so gern an meinen Kindertagen trage. Ich war zu Tränen gerührt.
Ambitionen für Allüren
Linda hat sich nie um die Moden der Massen geschert und das macht mich noch heute stolz. Sie ist ja nicht unmusikalisch und singt in einer Punkband. Das heisst, ich sage dem Punk, sie würde es bestreiten. Und eigentlich flüstert sie ja nur, das ist ihr Stil.
Leise Rebellion, sagt sie. Die ‹Stage identity› ihrer Gruppe ist herausragend. So was sieht man nirgends sonst – und schon gar nicht am Fernsehen. Ich mache jeweils für die Streicher der Band ein Rasenkostüm. Linda trägt als Frontfrau einen überdimensionalen Hahnenkopf und ansonsten Pech und weisse Federn. Sie hat das Rohmaterial für das Kostüm eigenhändig aus einer benachbarten Geflügelfarm geholt.
Eurovision
Ich bin auch sehr stolz, dass aus keinem meiner Sprosse bisher ein Star geworden ist. Heutzutage, wo auf allen Kanälen Sternchen am Laufmeter produziert werden, ist das ja eine Leistung. Gut, Louis (10) und Achim (13) verlassen aus logistischen Gründen ja kaum das Haus und sind nicht besonders gut im Artikulieren. Wenn einer von denen per Zufall in der Schule entdeckt würde, wäre mir wohl nicht zu schade, mitzufänen. Ausser es wäre eine Sektenband, da weiss jedes Kind von mir, dass ich den Kontakt komplett abbrechen würde. Man kann nur eine Familie haben, nicht? Sonst singt bei uns nur der Älteste, Sebastian (27). Er geht nur wegen den Fangesängen an die Fussballspiele und nimmt dafür auch mal eine Prügelei oder eine Verhaftung in Kauf. Das gehört halt dazu.
Wo sonst können junge Männer noch ungeniert singen? Zu Hause habe ich ihm das Singen auch verboten, weil er immer meint, er müsse dazu gleich randalieren.
Beim Gedanken daran werde ich ganz unsicher und ändere meine Meinung. Also falls Ihre Tochter Alice die Kleider für das Konzert selber näht, soll sie doch gehen. Das wäre ein vernünftiges Kriterium, eine kreative Eintrittsschwelle sozusagen, die jeder 13-Jährigen gut anstünde. Deal?

Paulo Zedmic (42) ist alleinerziehend mit 6 Kindern und liebt bulgarische Zigeunermusik.
Seit einigen Jahren ist seine Wohnung ein Ort der Stille ohne Lautsprecher.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

echt? danke!